Immobilienmakler: Zugang elektronischer Erklärungen im Spam-Ordner?

Für den Zugang elektronischer Erklärungen wird eine Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“ (LexisNexis® Newsmonitor: www.newsmonitor.at).

Rechtsnews 27187 ·19.4.2019

ECG: § 12

Für den Zugang elektronischer Erklärungen (hier eines Immobilienmaklers – Angebot mit Hinweisen auf die Grundlagen der Maklerprovision, Belehrungen über Rücktrittsrechte nach FAGG und KSchG sowie einem Muster-Rücktrittsformular) wird eine Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“ (hier: Zugang im „Spam-Ordner“ des Empfängers).

OGH 20. 2. 2019, 3 Ob 224/18i

Sachverhalt

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch der Kl auf Maklerprovision gegen die bekl Eheleute, die am 30. 9. 2016 ein Reihenhaus kauften, für dessen Vermittlung die Kl tätig war.

Der Erstbeklagte rief am 18. 8. 2016 bei der Kl an und teilte deren Mitarbeiter telefonisch mit, dass sich seine Frau (die Zweitbeklagte) und er für ein Haus interessierten, das die Kl in einem Inserat genannt hatte. Der Mitarbeiter schickte dem Erstbekl noch am selben Tag an die vom Erstbekl angegebene E-Mail-Adresse ein E-Mail-Angebot (mit Hinweisen auf die Grundlagen der Maklerprovision, Belehrungen über Rücktrittsrechte nach FAGG und KSchG sowie einem Muster-Rücktrittsformular). Dieses E-Mail langte im „Spam-Ordner“ des E-Mail-Accounts ein, was der Erstbekl jedoch nicht bemerkte.

Der Erstbekl rief daher am 29. 8. 2016 neuerlich beim Mitarbeiter der Kl an und ersuchte um nochmalige Zusendung der Unterlagen, die am Folgetag, dem 30. 8. 2016, durchgeführt wurde und ebenfalls in seinem „Spam-Ordner“ landete.

Bei dem Telefonat am 29. 8. 2016 wurde auch ein Besichtigungstermin für den 2. 9. 2016 vereinbart. Bei dieser Besichtigung des Hauses wurde der Erstbekl durch einen Hinweis des Mitarbeiters der Kl auf das Einlangen der E-Mail-Sendungen in seinem „Spam-Ordner“ aufmerksam und speicherte das (zweite) E-Mail daraufhin in seinem Postordner ab.

Eine Woche nach der Besichtigung nahmen die Bekl mit der Verkäuferin des Hauses Kontakt auf, einigten sich über den Kaufpreis und klärten die Finanzierung. Der Rechtsanwalt, der für die Bekl den Kaufvertrag errichtete, erläuterte ihnen am 16. 9. 2016 das Rücktrittsrecht und verfasste noch am selben Tag eine Rücktrittserklärung im Namen beider Bekl. Die Bekl hatten damit gerechnet, dass sie an die Kl allenfalls eine Provision zu leisten haben würden.

Die Kl begehrte die Vermittlungsprovision auf Basis des Kaufpreises. Spätestens mit der telefonischen Vereinbarung des Besichtigungstermins sei zwischen den Streitteilen ein konkludenter Maklervertrag zustande gekommen. Der Erstbekl sei auch im Namen seiner Frau aufgetreten; er habe beide E-Mails samt Belehrungen über Rücktrittsrechte erhalten. Der Rücktritt vom 16. 9. 2016 sei verspätet.

Entscheidung

Die vom Mitarbeiter der Kl dem Erstbeklagten übermittelten Unterlagen (einschließlich des Hinweises auf die Provision sowie der Belehrungen über Rücktrittsrechte) sind nach den Feststellungen bereits bei der ersten Sendung (am 18. 8. 2016) sowie neuerlich am 30. 8. 2016 (einem Dienstag) in der Mailbox des Erstbekl eingelangt; dass eine Kenntnisnahme vom Inhalt dieser Erklärungen nicht möglich gewesen wäre, haben die Bekl selbst nicht behauptet. Jedenfalls nicht unvertretbar ist daher die Rechtsansicht des BerufungsG, dass die Bekl die 14-tägige Frist für eine Rücktrittserklärung nach dem FAGG nicht eingehalten haben.

Den festgestellten Verlauf der wechselseitigen Erklärungen (Telefonate und E-Mail-Erklärungen vor dem Besichtigungstermin) hat das BerufungsG als konkludenten Abschluss eines Maklervertrags qualifiziert. Der Revision gelingt es nicht, darin eine aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen.

Nach den Feststellungen hat zunächst der Erstbekl (im eigenen Namen sowie in jenem seiner Frau, der Zweitbekl) mit der Kl Kontakt aufgenommen. Die telefonisch angekündigten Unterlagen (samt Hinweis auf die Provision) sind dem Erstbekl (für beide Bekl) zugegangen; dass er davon zunächst nicht Kenntnis nahm (sie nicht gelesen hat, weil er im richtigen Ordner seines E-Mail-Accounts nicht nachsah), ist der Kl grundsätzlich nicht entgegenzuhalten. Das für den Mitarbeiter der Kl erst nachträglich erkennbare Unterbleiben der Kenntnisnahme durch die Bekl (durch das Gespräch bei der Besichtigung) hat das BerufungsG im Rahmen seines Beurteilungsspielraums daher vertretbar als irrelevant für die bereits zuvor wirksam konkludent zustande gekommene Vereinbarung (den Vertragsabschluss) gewertet.

Soweit die Revision den Inhalt der Belehrungen über das Rücktrittsrecht als unzureichend beanstandet, zeigt sie nicht auf, weshalb die – hier erfolgte – Übermittlung der bezughabenden Gesetzestexte für eine solche Information nicht ausreichen sollte. Die Bekl haben sich im Verfahren im Wesentlichen darauf gestützt, dass ihnen die Unterlagen vor dem Besichtigungstermin nicht zugegangen (zur Kenntnis gelangt) seien; die zusätzliche Behauptung, die Belehrung über ihr Rücktrittsrecht sei nicht verständlich gewesen, haben sie nicht näher konkretisiert, weshalb auch damit keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgeworfen wird.

Die Revision beanstandet schließlich die Bejahung des Vertragsabschlusses durch beide Bekl und steht auf dem Standpunkt, es fehlten die Voraussetzungen für eine wirksame Stellvertretung der Zweitbekl durch den Erstbekl.

Nach den Feststellungen hat der Erstbekl aber bereits bei seiner ersten Kontaktaufnahme mit der Kl mitgeteilt, dass er selbst und seine Frau sich für das Haus interessierten. Zuvor war die Zweitbekl auf das Haus aufmerksam geworden und hatte dem Erstbekl davon erzählt, was der Anlass für die Kontaktaufnahme gewesen war. Die – vom Erstbekl telefonisch vereinbarte – Besichtigung erfolgte mit beiden Bekl gemeinsam (und diese kauften schließlich gemeinsam das Objekt). Auch die Beurteilung des BerufungsG, dass beide Bekl gemeinsam (und nicht der Erstbekl allein) den Maklervertrag für das schließlich von ihnen gekaufte Haus abschlossen, ist daher jedenfalls nicht unvertretbar.

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